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Edition KRAUTGARTEN

LEBEN MIT ABGRUND UND HÖHEPUNKTEN
In vier Erzählungen schildert der Künstler Wolfgang Vincke die Erlebnisse seiner Protagonisten. Dabei entsteht eine große erzählerische Nähe.


Aachen. Schon mit den ersten Zeilen des Erzählbands „blicken“ von Wolfgang Vincke beginnt eine Reise in innere Welten, die privat sind und dem Außenstehenden verschlossen. Der Leser aber trifft auf Charaktere, die ihn langsam zum Eingeweihten machen, zum Mitwisser ihrer Hoffnungen und Ängste und auch immer wieder ihrer seelischen Abgründe. Doch in ihren Schilderungen offenbaren die Protagonisten nicht strukturiert und linear, was sie umtreibt, denn es ist nicht ihr Vorsatz die Welt zu erklären. Vielmehr werden wir fast beiläufig Zeuge der unendlichen wechselseitigen Beziehung zwischen äußeren Ereignissen und ihrer Resonanz in der Psyche des Individuums.
Da ist zum Beispiel der Mann mit junger Familie in dörflicher, man mag auch sagen provinzieller Gemeinschaft, der sich konfrontiert sieht mit undurchdringlichen Fassaden, Gerüchten und Aberglauben. Als Zweifler und Suchender müht er sich um gelebte Normalität, um Familienglück und einen zuversichtlichen Blick nach vorn. Doch es gibt unausgesprochene Ängste, die selbst die Welten einander aufrichtig Liebender trennen können, und sei es auch nur für einen Moment. Mit großer Dramatik wächst hier eine Verlustangst bis ins Unerträgliche, um sich dann in einem erleichternden Ende aufzulösen. Es ist die unmittelbare Nähe zum Erleben der Protagonisten, die sie so vertraut werden lässt, aber zugleich zur Erkenntnis zwingt, dass sie uns letzten Endes wohl fremd bleiben werden. Denn wo keine Abstraktion den fiktiven Charakter glättet und er seine Authentizität behalten darf, da entsteht eine Tiefe, die aufgrund ihrer Unüberschaubarkeit fasziniert.
So ist es auch in der Geschichte zweier junger Menschen, Martha und Maxim, deren Wege sich in der wirren Nachkriegszeit kreuzen. Gezeichnet von der Vergangenheit und familiären Zerwürfnissen finden sie durch gleiche Interessen zueinander und sehen sich erneut Feindseligkeiten ausgesetzt. Denn Maxim leidet unter einer Behinderung, die ihn zwingt am Boden zu kriechen, und sie beschert ihm Gewalt und Häme. Zerbrechliches Glück droht tatsächlich zu zerbrechen und dennoch gelingt es den beiden, sich schließlich über äußere Umstände zu erheben. Atemlos und assoziativ ist hier die Erzählweise, von einer fiebrigen Intensität, die manchen an Wolfgang Borchert erinnern mag. Vincke wählt in allen vier Erzählungen das ungefilterte Wort abseits der sprachlichen Konvention und schafft so eine ganz besondere Nähe zu den Ereignissen.
Der Erzählband „blicken. Vier Erzählungen“ ist dieses Jahr im Verlag edition Krautgarten erschienen.

Jan Weck in: Aachener Zeitung


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© KRAUTGARTEN
Letzte Änderung: 10.12.2012
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