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edition KRAUTGARTEN

In der edition KRAUTGARTEN sind dieses Jahr zwei herausragende Werke erschienen, die wesentlich über die Intention der literarischen Aktivität sein 25 Jahren Auskunft geben. Die Ostbelgien-Anthologie „Mit leichtem Gepäck“ bietet einen Querschnitt der jetzigen ostbelgischen Literatur, die damit ins Licht tritt und in einem kompakten Band wahrgenommen werden kann. Es ist die bestmögliche Auskunft auf die Frage: Wo liegt Ostbelgien auf der Karte der Literaturen?
Das andere bedeutende Buch ist die Sammlung von Texten aus 25 Jahren Publikation der Zeitschrift KRAUTGARTEN, mit 115 Autorinnen und Autoren aus zahlreichen Regionen und Ländern Europas. Klaus Wiegerling, ein kundiger Literaturwissenschaftler, hat die Texte ausgewählt und nach 9 Kapiteln gruppiert:

Vorwärts und stets vermessen: Von Aufbrüchen, Fluchten und Anmaßungen
Denen ihr Spiel: Von Spielern und denen, die nicht mitspielen
Trapez: Von Drahtseilakten und Gleichgewichten
Orte und Gegenden: Von Aufenthalten, Ankünften und Durchreisen
Bewohnbare Sprache, bewohnbares Land: Zwischen Sprachen und anderen Dingen
Der Kanal: Von denen, die es anders sagen, und denen, die in voll haben
Fremdheiten: Von Irritationen und Verwirrungen
Mauerhunde: Vom Überflüssigen und der Last des Vergangenen
Hotel Terminus: von den letzten und vorletzten Dingen


Das wichtigste Kriterium war die Aussagekraft des Textes in sich, sein bleibender Wert.
Zu den Autorinnen und Autoren zählen u.a.: Ludwig Harig, Robert Schindel, Frans Budé, Nico Helminger, Peter Schneider, Friederike Mayröcker, Franz Hohler, H. Arnfrid Astel, Werner Laubscher, Caroline Lamarche, Uri Avnery, Oskar Pastior, Libuše Moníková, Tom Lanoye, Aglaja Veteranyi, Roger Manderscheid, Ernst Jandl, Günter Kunert, Ursula Krechel, Eddy Van Vliet, Ingo Jacobs, Kristien Hemmerechts, Doron Rabinovici – insgesamt ein beeindruckendes Spektrum. Damit wird auch die Attraktivität der Zeitschrift KRAUTGARTEN belegt, der es gelang, die kleine Region nach allen Richtungen hin auszuweiten.
Die beiden Bücher sind komplementär, indem sie die kleine und die große Welt zusammenfügen. Beide stellen gediegene Literatur dar und garantieren Lust am Lesen, am Entdecken und Kennenlernen von ansprechenden Welten unter dem nicht zufällig gewählten Motto “Völkerfrei”. Sie sind – das erhoffen sich die Herausgeber – Vorgriff auf eine Welt, in der das Universale besser beheimatet sein wird. (dR)


Aus dem Vorwort von Klaus Wiegerling

So hat KRAUTGARTEN die Peripherie zum Programm erhoben, das nun über ein Vierteljahrhundert trägt. Man hat aus der Not, dass man weit entfernt von den Zentren agiert, eine Tugend gemacht. Dabei ist klar, dass das literarische Geschäft von der Peripherie aus schwerer zu betreiben ist. Lohnend ist dieses Geschäft aber allemal, denn niemand sonst kann es übernehmen. Andere Zeitschriften können gelegentliche Exkurse bieten, Schnappschüsse liefern, aber keine kontinuierlichen Vermittlungen einer Existenz zwischen den Kulturen leisten, keine kontinuierliche Einsichten in den Wandel, die Widerständigkeiten und die Diffusion von Kulturen geben, die nicht von einer globalisierenden Ökonomie inspiriert sind, sondern von konkreten historischen Erfahrungen und konkreten Präsenzen des Nachbarn. Es sind Verbindungen zwischen den Zeitläuften und der Literatur sichtbar zu machen, wobei darauf geachtet werden muss, wie sich diese Zeit abseits der großen Zentren artikuliert und artikuliert hat. Wer aus der Peripherie agiert, ist immer auch Archäologe eines überschaubaren Milieus. Die von jeder Literaturzeitschrift einzufordernde Vermittlungsleistung ist im Falle des KRAUTGARTEN also noch umfassender. Sie betrifft beispielsweise die Vermittlung zwischen den literarischen Produktionen, die überregional wahrgenommen werden, und nur regional zur Kenntnis genommenen Produktionen. Es ist dabei ständig die Frage zu stellen und ohne falsche Bescheidenheit zu diskutieren, ob die Diskrepanz in der Wahrnehmung zu recht besteht oder nicht.

………….

25 Jahre zu dokumentieren ist kein einfaches Unterfangen. Rasch wurde die Überlegung verworfen, mit den ausgewählten Texten die Zeitläufte zu dokumentieren, da damit vielleicht ein interessantes Zeitdokument herzustellen, die Literatur aber eher aus dem Fokus geraten wäre. Zu groß wäre die Gefahr gewesen, Literatur, die den Zeitgeist artikuliert und nur für das Tagesgeschäft geschrieben wurde, überzupräsentieren. Schnell war klar, dass Literatur geboten werden sollte, die vielleicht nicht für die Ewigkeit geschrieben worden ist, die aber die Tagesereignisse und den jeweiligen Zeitgeist überdauert hat. Die gebotenen Texte sollten auch Jahre, Jahrzehnte nach ihrem Erscheinen nicht nur gelesen werden können, sondern unbedingt nochmals gelesen werden. Es sollten möglichst viele Texte von Autoren geboten werden, die Gefahr laufen, dem Vergessen anheim zu fallen. Es war also ein dringendes Anliegen Texte zu präsentieren, die bisher zu wenig Beachtung gefunden haben und dringend neue und vermehrte Beachtung finden sollten. Die präsentierten Texte sollten für sich stehen können, keiner Kommentierung bedürfen und mehr als Leseproben sein.
Was überdauert seine Zeit? Was ist nur von ephemerer Bedeutung? Was charakterisiert KRAUTGARTEN in besonderer Weise. Das waren die Fragen, die bei der Herausgabe dieser Anthologie zu lösen waren. Manche Texte müssen wohl noch immer Entdeckungen genannt werden, insofern sie und ihre Autoren bisher wenig zur Kenntnis genommen wurden. Nicht nur Franzobel und Harig, Grass, Avnery, Mayröcker und Jandl werden hier der Lektüre anempfohlen, sondern besonders auch Autoren wie Hemmerechts , Veteranyi, Hensel, Behringer, Hahs usw. Kleinode und Meisterwerke werden eben nicht nur von bekannten Namen geliefert.
Natürlich sollte das ganze Spektrum unterschiedlicher Sprachen und regionaler Verortungen eine Rolle spielen, schließlich zeichnet gerade dies KRAUTGARTEN bei aller thematischen Besonderung aus. Doch all diese Erwägungen waren den zuvor genannten untergeordnet.


© KRAUTGARTEN
Letzte Änderung: 19.11.2007
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