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edition KRAUTGARTEN

VORWORT
 
„Kraut und Pflaster helfen wohl“, berichtigt Hans Arnfrid Astel einen alten Apothekerspruch. Der Begriff „Kraut“ im Titel der 25 gewordenen Literaturzeitschrift KRAUTGARTEN war seit jeher doppelbödig. Einmal von der anglo-amerikanischen Assoziation abgesehen, zielte der Name zugleich auf Natur-Wuchern und auf nährende Kohl-Gedanken ab. Auf süddeutschen Katasterkarten findet sich in vielen Dörfern die Ortsteilbezeichnung „Krautgarten“, weil dort im Unterschied zum Hochstämmigen („Bungert“) die niedrigwachsenden Gemüse angebaut wurden (Kraut für Kohl). Gerne schmückt KRAUTGARTEN sich mit der Verheißung, nährend über den Winter zu helfen. Nicht ungelegen kommt uns die Verbindung mit Unkraut, weil darin leicht die Vorstellung der ausmerzenden Behörde anklingt – ob Landfrau oder „Sauberkeits“-Wärter; auch dies entspricht einer biografischen Erfahrung des Jubilars. Schließlich gefällt im Apothekerspruch die Weglassung des ominösen „Heils“-Begriffs, der kurioserweise Pate gestanden hat für eines der größten Unheile der jüngeren Geschichte. Das Heil und die Nation sind keine hilfreichen, dem Menschen gemäßen Gestaltungsinstrumente. Astel fährt fort: „… bringen die Gedichte Licht“. Damit wäre die Essenz der Visitenkarte der Zeitschrift umrissen.
 
KRAUTGARTEN wird in Neundorf gemacht. Neundorf liegt in der Welt – zwischen Santiago, Helsinki, Nowgorod und Kinshasa, wobei diese Orte keineswegs Grenzstädte sind, sondern nur Metaphern für die Weltläufigkeit und Weltbesessenheit des kleinen Sauerstoff-Unternehmens. Auch „Forum“ im Untertitel äußert dieselbe Bestimmung: den jeweilig zu Gast Weilenden eine Weltbühne zu bieten. Auf dieser Bühne haben seit der Gründung etwa 1000 Gäste sich eingefunden und ihr Bestes geboten: gestandene Meisterschaft, zögernden Erststart voll der Unsicherheit, profunde Reflexion, Gefühlsfluss zwischen Freude und Not, und immer wieder Kunst. Aus den vielen haben wir eine notwendigerweise begrenzte Auswahl gebeten, der Zeitschrift im Jubeljahr einen Beitrag zu stiften: ein Gedicht oder eine Erzählung aus dem aktuellen Atelierbestand, eine Grußadresse, eine kluge Sacharbeit, einen eigens für den Anlass verfassten Text, ein künstlerisches Werk … diese Zusammenstellung wird in der vorliegenden Festschrift präsentiert. Hundert Mitwirkende: 65 Autorinnen und Autoren, 35 Künstlerinnen und Künstler haben die Einladung aufgegriffen und geben Zeugnis von ihrer Sympathie für KRAUTGARTEN. Sie stellen gleichnishaft und realiter die eingangs beschworene Welt dar, sie stiften Licht, jeder ist für die 99 andern eine Entdeckung, eine Begegnung, in dieser Konstellation haben die hundert Teilnehmer sich noch nie zusammengefunden, sie beanspruchen nicht Partei oder Club zu sein, sie werden ebenso leicht wieder auseinander gehen, wie sie sich zusammengefunden haben, ohne einander im voraus zu kennen oder Bedingungen für ihre Teilnahme zu stellen. Eben so, nach dem Prinzip derselben Mobilität, sind die bis heute erschienenen 50 Ausgaben der Zeitschrift entstanden. 
 
Wir – die Mitglieder der Redaktion des KRAUTGARTEN – übergeben der Öffentlichkeit, sprich den Lesern mit Stolz und Dankbarkeit diese wunderbare Visitenkarte mit den berühmten und den unbekannten Namen, mit denen wir uns in diesem besonderen Jahr identifizieren dürfen. Das Besondere unseres Forums liegt darin, dass es die Spur derer, die es nutzen, aufzeichnet und in seiner Substanz behält. So wächst Heft um Heft die gesammelte Seele des Unternehmens, das Profil schärft und differenziert sich, ohne jemals eine Identität werden zu wollen (das Wort überlassen wir ohne Bedauern den Tümlern von vorgestern), im Gegenteil, die Bühne wird mit jedem Mitwirkenden einladender für die nachfolgenden.
So möge auch diese Festschrift Grundstock für neue Erweiterung der Plattform sein.
 
Den Lesern wünschen wir ein entdeckungsreiches Lesen und Schauen. Mögen sie sich wiederfinden und wohlfühlen  in den Gedichten, Gemälden, Erzählungen, Analysen, Zeichnungen, Sprechtexten, Handschriften, Druckgrafiken, Widmungen und Reflexionen, die in dieser Geburtstagsschrift enthalten sind. 
 
Danke den vielen, die uns in den 25 Jahren helfend begleitet haben, den Autoren und Künstlern sowie den Schaffern, die uns unterstützt und unser Werk ermöglicht haben.
 

Für die Redaktion                             Bruno Kartheuser
© KRAUTGARTEN
Letzte Änderung: 22.05.2007
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